Wer war Ernst Schäfer?

Prof. Dr. Ernst Schäfer (1910-1992), deutscher Tibetforscher, Wissenschaftler und Ornithologe, der die heute noch gültige tiergeographische Unterteilung Hochasiens vorgenommen hat, die nach den so genannten Leittierarten benannt wird. Schäfer gelang es auf seinen früheren Expeditionen (1931-36), an denen er als junger Student der Zoologie nach Westchina/Osttibet teilnahm, gemeinsam mit dem Amerikaner Brook Dolan das Rätsel des Bambusbären (Panda), des Takin (Rindergemse) und längst als ausgestorben betrachteter Großtierarten zu lösen. Er entdeckte das Blauschaf (Pseudois schaeferi) als allerletzte noch unbekannte Großtierart. 1938/39 konnte er als Leiter auf der Deutschen Tibetexpedition Ernst Schäfer wiederum im Sikkim-Himalaja ein weiteres „Lebendes Fossil“, den Shapi neu auffinden. Der Ornithologe Ernst Schäfer besucht mit einem Team aus jungen, ehrgeizigen Wissenschaftlern und einem Kameramann eine damals beinahe unbekannte Region –Tibet. Zeugnis von dieser Reise gibt der Dokumentarfilm „Geheimnis Tibet“, der einen Einblick in eine fremde, verlorene Welt gewährt. Da kurz darauf der 2. Weltkrieg ausbrach, konnten die Ergebnisse der Reise und das Buch „Fest der weißen Schleier“, das bei dieser Expedition entstand, nicht mehr das gebührende Interesse finden. Schäfer schildert darin das Leben in Lhasa, insbesondere das Neujahrsfest, das eines der letzten war, das so wie in den vergangenen Jahrhunderten gefeiert wurde.

Ernst Schäfer, 1910 in Köln geboren, stammte aus einer großbürgerlichen Familie, er verbrachte seine Kindheit in Waltershausen/Thüringen.

Ernst Schäfer: „Schon als Junge hatte ich den Plan, mir meine Sporen einmal als „Forscher und Weltreisender“ zu verdienen. Aber so einfach war das nicht. Die ersten Jugendträume zerrannen schnell, und von Tibet gar erfuhr ich vorerst nur durch die Bücher Sven Hedins, ohne zu ahnen, dass der große Schwede in schwerer Zeit einmal mein gütiger Berater werden würde. Dann aber geschah es — ich war etwa vierzehn Jahre alt, als ein Direktor des weltumspannenden IG-Farbenkonzerns zu Besuch kam und bei Tisch von einer neuen Tibetexpedition Wilhelm Filchners*erzählte. Schweigend hörte ich zu eine neue Welt ging in mir auf. Von diesem Augenblick an wusste ich, dass Tibet zum Land meiner Zukunft werden würde.“

*Filchner, Wilhelm (1877-1957), deutscher Antarktis- und Asienforscher. Wilhelm Filchner wurde 1877 in München geboren. Im Rahmen seiner ersten Expedition überquerte er 1900 den Pamir. Von 1903 bis 1905 bereiste er das Hochland von Tibet; anschließend leitete er eine Expedition nach Spitzbergen, wo das Material für eine große Antarktis-Expedition getestet werden sollte. Auf der folgenden Antarktis-Expedition 1911/12 erforschte Filchner das Weddellmeer und entdeckte das Prinzregent-Luitpold-Land. Von 1926 bis 1928 und von 1934 bis 1938 leitete Filchner zwei Tibetexpeditionen, die sich neben geographischen auch erdmagnetische Studien zum Ziel setzten. 1939 ging Filchner nach Nepal, um dort seine Studien fortzusetzen. Während des 2. Weltkrieges wurde er in Indien festgehalten und kehrte erst 1951 nach Deutschland zurück. Filchner starb 1957 in Zürich. Die zweitgrößte Schelfeisfläche der Antarktis am Rande des Weddellmeeres ist nach Filchner benannt. Zu seinen bekanntesten Werken gehören Ein Ritt über Pamir (1903); Das Rätsel des Matschu. Meine Tibet-Expedition (1907); Zum 6. Erdteil (1923); Kartenwerk der Erdmagnetischen Forschungsexpedition nach Zentral-Asien (1933). Auf seiner Asienexpedition von 1925-1928, in einer in Zentralasien unsicheren, von Umstürzen, Aufständen und lokalen Revolutionen gekennzeichneten Zeit, drehte Wilhelm Filchner mit der Handkurbel rund 17.000 Meter Film: (Mönche, Tänzer und Soldaten , Dok. von Erich Palme, Kamera: Wilhelm Filchner, Deutschland 1926, 70 Min.) Nur 2.500 Meter des wertvollen Materials fanden für einem im Jahr 1956 erarbeiteten Kulturfilm, der für das Kino bestimmt war, Verwendung.

Sein Vater, Albert Schäfer sollte später als Aufsichtsratsvorsitzender der Harburger Gummiwaren-Fabrik Phoenix AG maßgeblich die Geschicke der Hansestadt bestimmen.

(Vater „Schäfer (1881 bis 1971) war lange Zeit Vorstandsvorsitzender der Phoenix AG. Neben seiner Bedeutung als überregional bekannter Wirtschaftsführer hat er sich bleibende Verdienste erworben, als er kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs durch sein mutiges Auftreten dazu beigetragen hat, dass die Stadt Hamburg ohne Kampfhandlungen an die Engländer übergeben wurde. Außerdem war Schäfer 1946 Mitglied der ersten von den Engländern einberufenen Hamburgischen Bürgerschaft nach dem Krieg.“ Zitat Hamburger Abendblatt.de. „

Herr Dr. Albert Schäfer, lenkte die Geschicke der Handelskammer nach dem Zweiten Weltkrieg. Sein Name ist untrennbar mit hohen moralischen Wertvorstellungen im Geschäfts- wie auch im Gesellschaftsleben verbunden. Durch seine Entscheidungskraft hat er einen ganz wesentlichen Beitrag zur kampflosen Übergabe der Stadt am 3. Mai 1945 geleistet. Diesem für Hamburg bedeutenden Ereignis ging eine Auseinandersetzung voraus: Im Keller der Hauptverwaltung der von Albert Schäfer als Generaldirektor geleiteten Phoenix-Werke in Harburg war ein Lazarett untergebracht, das der zuständige Divisionsarzt mit einem roten Kreuz auf dem Dach gekennzeichnet hatte. Nun wurde aber auf dem Gelände auch noch produziert.Albert Schäfer konnte es nicht vertreten, dass quasi die Produktionsaktivitäten seines Unternehmens unter dem Mantel des Roten Kreuzes stattfanden – für ihn ein klarer Verstoß gegen die Genfer Konvention! Und er forderte den für das Lazarett zuständigen Divisionsarzt auf, das rote Kreuz wieder vom Dach zu entfernen. Der Divisionsarzt hingegen sah es als seine oberste Pflicht an, sein Lazarett und die ihm anvertrauten Verwundeten zu schützen, und verweigerte die Entfernung des roten Kreuzes. Glücklicherweise fand sich ein Ausweg: Eine Gruppe von Unterhändlern wurde zu den britischen Streitkräften geschickt, um über eine Verschonung des Lazaretts zu verhandeln. Diesen Vorschlag einer humanitären Aktion unterstützte Albert Schäfer sofort, und er ging als einziger ziviler Emissär mit hinter die feindlichen Linien.“  Zitat Dr. Dreyer, Präses der Handelskammer Hamburg.

1929 legte Ernst Schäfer das Abitur als Externer in Mannheim ab. Er studierte von 1928 bis 1934 in Göttingen an der Georgia Augusta Universität:

Ernst Schäfer: “ Die einzelnen Kollegs füllten, nur von einer Mittagspause unterbrochen, den Tag: Physik bei Pohl Prof. Dr. Robert Pohl (Experimentalphysiker, 1884-1976) und Chemie bei Butenandt Prof. Dr. Adolf Butenandt (Chemiker, 1903-1995), beide Nobelpreisträger; Geologie und Paläontologie bei Stille Prof. Dr. Hans Stille (Geologe und Paläontologe, 1876-1966)einem weitgereisten Weltmann und Experten der Bergwerksindustrie; Geographie bei Meinardus Prof. Dr. Wilhelm Meinardus (Geograph, 1867-1952): „Der Herr im Tropenhelm, das bin ich…“ war eine seiner ständigen Redensarten, denn er hatte ja Ägypten besucht; Völkerkunde bei Plischke, -einem gemütlichen Sachsen, der die deutschen Grenzen noch nie überschritten hatte; Allgemeine Botanik bei von Wettstein Prof. Dr. Fritz von Wettstein, Ritter von Westersheim (Botaniker, 1895-1945), Wiener und eine faszinierende Persönlichkeit; Botanische Systematik bei Schmucker Prof. Dr. Theodor Schmucker (Botaniker, 1894-), einem raubeinigen bajuwarischen Original; Allgemeine Zoologie und Vererbungswissenschaften bei Alfred Kühn Prof. Dr. Alfred Kühn (Zoologe, 1885-1968); Physiologie bei Kühn; Vererbungslehre bei Kröning; Zoologische Systematik und Entomologie bei Voß Prof. Dr. Friedrich Voss (Zoologe, 1877-1950) und schließlich Jagdwissenschaft bei Nachtigall.

und an der Medizinischen Hochschule Hannover eine Vielzahl von Fächern: Zoologie, Botanik, Geologie, Mineralogie, Chemie, Physik und Völkerkunde.

Ernst Schäfer: „Nach dem Abitur praktizierte ich bei Dr. H. Weigold im Provinzial-Museum zu Hannover, dem Leiter der Naturwissenschaftlichen Abteilung, der vor dem ersten Weltkrieg mit Stötzner in China und Osttibet geforscht hatte. An ihn trat 1930 ein junger Amerikaner, Brooke Dolan(II)*, heran, um Weigold als wissenschaftlichen Leiter seiner ersten Tibetexpedition – speziell für die Erbeutung des sagenhaften Bambusbären – zu gewinnen. Weigold, der mich als Jäger kannte, verdankte ich die Empfehlung, und so kam es, dass ich mit knapp zwanzig Jahren schon zum ersten Male nach Tibet hinauszog – um alles auf eine Karte zu setzen.“

Dr. Hugo Weigold (1886-1973): Der Biologe und Ornithologe Prof. Dr. Max Hugo Weigold gilt als einer der Pioniere des Naturschutzes in Deutschland, der den Naturschutzgedanken einer breiten Öffentlichkeit nahe brachte. Er gründete 1910 die Helgoländer Vogelwarte, die als wissenschaftliche Forschungsstation weltweit Beachtung fand. Das Institut für Vogelforschung wurde als Vogelwarte Helgoland innerhalb der Preußischen Biologischen Anstalt auf Helgoland gegründet, mit Dr. Hugo Weigold als dem ersten Leiter der Vogelwarte. Ab 1924 war Weigold Direktor der Naturkundeabteilung des Provinzialmuseums in Hannover und von 1926 bis 1934 Kommissar für Naturdenkmalpflege der Provinz Hannover.

*Brook Dolan II (1908 – 1945), war ein amerikanischer Naturforscher und Abenteurer. Sein Vater Brooke Dolan, war ein wohlhabender amerikanischer Industrieller in Philadelphia. Brooke Dolan II war Mitglied der Academy of Natural Sciences in Philadelphia. Er leitete zwei Expeditionen nach China und Ost-Tibet in den Jahren 1931 und 1934 bis 1935. Die erste Expedition mit Ernst Schäfer, Gordon Bowles, Otto Gneiser, und Hugo Weigold. Die zweite mit Schäfer und Duncan, einem amerikanischen Missionar. Im Oktober 1942 reiste er mit Ilia Tolstoy nach Lhasa als Mitglied des Office of Strategic Services (OSS), und traf den jungen Dalai Lama, Tenzin Gyatso, und die tibetische Regierung.

1929 berichtete ihm Weigold von Dolans Tibet-Planungen, der ihn auch an Dolan empfahl. In dieser Zeit machte er auch die Bekanntschaft mit dem Berliner Ornithologen Prof. Dr. Erwin Stresemann, seinem späteren Doktorvater.

Erwin Stresemann (* 22. November 1889 in Dresden; † 20. November 1972 in Berlin). Er studierte ab 1908 Naturwissenschaften (speziell Zoologie) an den Universitäten Jena, Freiburg und München und war von 1910 bis 1912 Teilnehmer an der 2. Freiburger Molukken-Expedition von Karl Deninger. 1920 promovierte er zum Dr. phil. bei Richard Hertwig an der Universität München. 1921 wurde er Assistent am Zoologischen Museum Berlin und Leiter der ornithologischen Abteilung, wo er ab 1924 als Kustos angestellt war. 1930 wurde er in Berlin zum Titularprofessor, 1946 zum Professor mit Lehrauftrag für Zoologie ernannt. Von 1946 bis 1959 war er kommissarischer Direktor am Zoologischen Museum der Humboldt-Universität Berlin. Stresemann war Generalsekretär, Präsident (ab 1949) und Ehrenpräsident der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft und einer der hervorragendsten Ornithologen des 20. Jahrhunderts. Von 1922 bis 1945 war er Redakteur für das Journal für Ornithologie und die Ornithologischen Monatsberichte.  Er war Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und der Leopoldina.

Ernst Schäfer: „Als ich Brooke Dolan, der gerade einundzwanzig Jahre geworden war, in Hannover kennenlernte, ahnte ich nicht, dass wir bis in den unseligen Krieg hinein verbunden sein würden – und auch nicht, dass er unserem geliebten Tibet bis zu seinem Tode treu bleiben sollte. Während des Krieges nämlich, da mich Dolan im Kampfe mit ,His Majesty’s Gurkha rifles‘ in Tibet vermutete, reiste er, der geschworene Republikaner, im Auftrag seines Präsidenten F. D. Roosevelt, auf meinen früheren Spuren nach Lhasa, um von dort über das Hochland hinweg nach Tschunking durchzustoßen. Dort fand er auf tragische Weise den Tod.“

Am 1. November 1933 wurde er, auf „Anraten des Göttinger Oberbürgermeisters“, so Schäfer, Anwärter der 51. SS-Standarte Göttingen. Während dieser Zeit nahm er auch an seiner ersten Expedition teil, die ihn in den Tibet führte: 1930/31.

Ernst Schäfer: „Doch schon 1933 erhielt ich von Dolan im Auftrage der Academie der Naturwissenschaften zu Philadelphia, die mich inzwischen zum lifemember ernannt hatte, das höchst verlockende Angebot, die wissenschaftliche Leitung einer weit größeren Expedition nach Ost- und Zentraltibet zu übernehmen. Ich gab mein Jawort und unterbrach, allen Gepflogenheiten deutscher Universitäten zum Trotz, mein Studium zum zweiten Male, um abermals für zwei volle Jahre in der asiatischen Wildnis unterzutauchen. Als Dolan und ich uns im Februar 1934 in Schanghai trafen, ahnten wir nicht, was uns noch alles bevorstand. Nicht nur waren die Strapazen dieser zweiten Reise weit größer als alles, was wir vorher und nachher erlebten, sondern wir wurden auch von jeglicher Verbindung mit der Zivilisation abgeschnitten und galten als verschollen. Auf dieser zweiten Dolan-Expedition gelang es mir, bis in die un-erforschten Nordsteppen Tibets vorzudringen.“

1934/36 folgte die zweite Expedition mit Dolan, von der er über die USA nach Deutschland zurückkehrte.

Ernst Schäfer: „Im Jahre 1936 kehrte ich über Japan und die USA nach Deutschland zurück und bereitete nach bestandenem Doktorexamen meine dritte, diesmal rein deutsche Tibetexpedition vor. Diese brachte mir die Erfüllung des schönsten Traumes aller Asienforscher, den Besuch Lhasas, der ,verbotenen‘ Hauptstadt des Götterlandes, vor deren Toren selbst Filchner und Sven Hedin unter Todesbedrohungen abgewiesen waren.“

Heinrich Himmler – ein Verehrer der Theosophin Helena Blavatsky und ihrer „Rassenlehre“ – ernannte ihn zum „SS-Untersturmführer ehrenhalber und erbat seine Heimreise“. Theosophie und Tibet sind eng miteinander verbunden: Helena Petrovna Blavatsky (1831-1891) bezeichnete sich als tibetische Buddhistin und behauptete, das okkulte Wissen einer uralten Weisheitslehre studiert zu haben. Sie stand mit ihren Meistern in Tibet in telepathischer, später auch in direkter Beziehung. Von diesen erhielt sie geheimnisvolle Briefe, die für die Entwicklung der Theosophie ausschlaggebend waren. Obwohl diese Briefe aus Tibet stammten, waren ihre Verfasser nicht tibetische Lamas, sondern arische Mahatmas. Ernst Schäfer arbeitete nun unter Stresemann an seiner Dissertation und an der Vorbereitung einer „eigenen Expedition nach Tibet“. Himmler vermutete in Tibet „Indizien für eine ur-arische Besiedlung“, die die Schäfer-Expedition unter anderem aufspüren sollte. Himmler habe die Sagen und Mythen Tibets bewundert und an eine sagenumwobene Vergangenheit des Landes geglaubt, daran, dass Tibet „ein Ort der Erlösung und des Paradieses, das sogenannte Shangri-La“ sei.

Schäfer Expedition 38/39Ernst Schäfer und seine vier Begleiter: Karl Wienert*, Geophysiker und Erdmagnetiker, Bruno Beger**, der vom SS-Rasse und Siedlungshauptamt abgestellt Anthropologe, Ernst Krause, Insektenforscher und Kameramann, sowie Edmund Geer, der technische Leiter und Karawanenführer, reisten 1938 zwar nicht im offiziellen Auftrag der SS, ihnen wurde aber dennoch vor allem von Seiten der englischen Presse politische Motive unterstellt. Deshalb verbot die britisch-indische Regierung vorsichtshalber die Einreise nach Tibet. Die Expeditionsteilnehmer durften aber im Norden Sikkims, an der Grenze zu Tibet, ohne weitere Probleme arbeiten. Schließlich gelang es Schäfer, eine Einladung des tibetischen Ministerrats nach Lhasa zu erhalten. Nach einem Bericht des Expeditionsleiters wurden „die ersten Deutschen in der heiligen Stadt“ mit großer Wertschätzung empfangen. Man habe eine Unzahl Geschenke erhalten wie getrocknete Schafe, Schweinemumien, Tsamba Mehl, Reis, Pferdefutter und nahezu 1000 Eier. Als Ernst Schäfer und seine Kollegen im Sommer 1939 die Rückreise antraten, nahmen sie ein Sendschreiben des tibetischen Regenten mit. Darin erklärt der Herrscher, Schäfer habe um Etablierung enger Beziehungen zwischen den Regierungen in Berlin und Lhasa ersucht: „Nehmen Sie nun, Euer Exzellenz, König Herr Hitler, zu diesem Verlangen nach gegenseitiger Freundschaft (…) unsere Zustimmung.“ Motiv für die Annäherung an Deutschland waren Bestrebungen der tibetischen Regierung, größere Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Großbritannien zu erlangen. ( Peter Mierau: Nationalsozialistische Expansionspolitik. Deutsche Asien-Expeditionen 1933-1945, München 2006)  Im August 1939 kehrte die „SS-Expedition Schäfer“ nach Deutschland zurück und wurde von Heinrich Himmler auf dem Münchner Flughafen empfangen. Für seine außerordentlichen Verdienste erhielt der Tibetforscher den SS-Totenkopfring und den SS-Ehrendegen als Auszeichnungen.

*Dr. Karl Wienert, Geboren in Ostpreußen, habilitierte sich Wienert an der Universität Königsberg im Fach Geophysik. Nach dem Krieg war er im Auftrag der UNESCO in verschiedenen Ländern als Geophysiker tätig. In den fünfziger Jahren war er beim Bau eines erdmagnetischen Observatoriums in Pakistan beteiligt. Von 1958 1978 übernahm Karl Wienert die Leitung des geomagnetischen Observatoriums in Fürstenfeldbruck. (1)Am 24.08.1992 im Alter von 80 Jahren verstorben.

(1) Wienert, K. (1966) 125 Jahre erdmagnetische Beobachtungen in Muenchen, Maisach und Fuerstenfeldbruck. In: G. Angenheister (Ed.) Zum 125jaehrigen Bestehen der Observatorien Muenchen – Maisach – Fürstenfeldbruck, Geophysikalisches Observatorium Fürstenfeldbruck, pp. 7-51

Schäfer baute in diesen Jahren mit Erfolg das Sven Hedin Institut für Innerasienforschung als eine Unterabteilung des SS-Ahnenerbe auf. Die eigentliche Eröffnung des Instituts fand am Samstag den 16. Januar 1943 in der Münchner Ludwig Maximilian Universität statt. Vormittags wurde von deren Rektor Walther Wüst die Ehrendoktorwürde der Naturwissenschaftlichen Fakultät an den schwedischen Asienforscher Sven Hedin verliehen. Nachmittags zeigte man die Uraufführung von Schäfers Film Geheimnis Tibet. Schäfer machte aus dem Sven Hedin Institut die größte Abteilung innerhalb des SS-Ahnenerbes.

Hitler ermächtigte, unter dem Einfluß von Haushofer, Frederick Hilscher im Jahre 1935 dazu, das sog. „Ahnenerbe“ (Behörde für die Erforschung des Ahnenerbgutes) zu gründen, mit Oberst Wolfram von Sievers (1905-1948) als Leiter. Das „Deutsche Ahnenerbe“ wurde als „Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte“ mit der Rechtsform eines eingetragenen Vereins von führenden Funktionären der SS gegründet, darunter der Reichsführer SS Heinrich Himmler (1900-1945) und der Reichsbauernführer und Leiter des Rasse- und Siedlungshauptamtes (RuSHA) Richard Walther Darré (1895-1953).
Der wissenschaftsbegeisterte Himmler war von Anfang an bemüht, dem „Ahnenerbe“ einen seriösen Anstrich zu geben.
Als Präsidenten berief Himmler den akademisch etablierten Münchner Indogermanisten Walther Wüst. Finanzielle Unterstützung für die Projekte kam dabei von staatlichen Stellen und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs verlagerte sich der Tätigkeitsbereich der Forschungsgemeinschaft; z.B. die medizinische Versuche an Menschen in Konzentrationslagern (KZ) lag durch das „Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschung“ in der Verantwortung des „Ahnenerbes“. So experimentierte Sigmund Rascher (1909-1945) im KZ Dachau unter anderem im Auftrag der Luftwaffe mit Unterdruck und Unterkühlung an fast 500 Häftlingen, wovon etwa die Hälfte an den Folgen starb. Im KZ Natzweiler-Struthof erprobte der Anatom August Hirt (1898-1945) Kampfgase an Menschen und tötete über 80 gezielt ausgesuchte Häftlinge, um für die „Reichsuniversität Straßburg“ eine Skelettsammlung anzulegen.**

Neben anderen Aufgaben, beauftragte Hitler es mit der Erforschung germanischer Runen, der Ursprünge des Swastika und der Lokalisierung des Ursprungs der arischen Rasse. 1937 machte Himmler das „Ahnenerbe“ zu einer offiziellen Organisation, gliederte es in die SS (Schutzstaffel) ein und ernannte Professor Walther Wüst, den Vorsitzenden der Sanskrit-Abteilung an der Ludwig-Maximilian-Universität in München, zum neuen Leiter. Das im Frühjahr 1942 als „Amt A“ in das „Hauptamt Persönlicher Stab, Reichsführer-SS“ eingegliederte „Ahnenerbe“ erreichte seine größte Ausdehnung 1943/44 mit über 40 wissenschaftlichen Abteilungen. im Juni 1943 wählten die Anthropologen und SS-Hauptsturmführer Bruno Beger und Hans Fleischhacker in Auschwitz jüdische Häftlinge aus. Sie wurden ins elsässische KZ Natzweiler-Struthof verschleppt und im August 1943 in der dortigen Gaskammer ermordet. Die Leichen sollten für eine Skelettsammlung an der Reichsuniversität Straßburg verwendet werden und der rassischen Propaganda dienen. Wolfram Sievers wurde im Nürnberger Ärzteprozess wegen seiner Mitverantwortung für die Menschenversuche zum Tode verurteilt und 1948 hingerichtet.

Goldner: „Der Dalai Lama, dessen Regent und persönlicher Tutor Jamphel Yeshe Gyaltsen, bekannt als Reting Rinpoche, im Jahre 1939 eine SS-Delegation offiziell im Potala empfangen hatte, weigert sich bis heute, irgendwelche Auskunft zu den damaligen Unterredungen zu geben; auch aus den Aufzeichnungen des Delegationsleiters Ernst Schäfer, der mehrfach mit dem Regenten sowie hochrangigen Regierungsmitgliedern zusammengetroffen war, geht kaum etwas über deren Inhalt hervor.” (Dalai Lama. Fall eines Gottkönigs. Alibri Verlag, Aschaffenburg 1999, S. 87)

Auch Versuche Schäfers über Russland nach Tibet zu gelangen, wurden von den politischen und militärischen Ereignissen überrollt. Demnach sollten 30 SS-Männer unter Schäfers Führung mit Waffen für 1.000 bis 2.000 Mann nach Tibet reisen und dort Milizen für den Kampf gegen (Britisch-)Indien sammeln. Schäfer wurde zur Ausbildung zur „SS-Leibstandarte Adolf Hitler“ abkommandiert. „Wenn Sie eine soldatische Aufgabe zu lösen bekommen, müssen Sie zunächst zum Soldaten ausgebildet und erzogen werden“, begründete der „Reichsführer SS“ Heinrich Himmler die Umschulung des Wissenschaftlers: „Mit ein bisschen Sabotage und Herumsprengen ist es nicht getan.“ Zum letzten Mal während der NS-Zeit wurden die deutschen Tibet-Pläne 1942 aktuell. Unter dem Eindruck des Vormarsches der Wehrmacht auf sowjetischem Territorium befahl Himmler die „totale Erforschung des zentralasiatischen Lebensraums“.

Schon in den dreißiger Jahren hatte sich Schäfer in den Berichten der Senkenbergschen Naturforschenden Gesellschaft zum Thema Yeti geäußert und 1959 brachte er die Dinge in einem ausführlichen Artikel in selbiger Fachzeitschrift auf den Punkt: Mit Beitrag „Schneemensch – oder Tibetbär“ lüftete er vor 30 Jahren abermals das „Geheimnis“ um den Schneemenschen. Darauf machte er auch in einem Briefwechsel mit Reinhold Messner im Frühjahr 1992 noch aufmerksam.

Bild 135-KA-10-072 BAKBis heute ranken sich viele Gerüchte um die SS-Expeditionäre in Tibet. Seit beinahe 400 Jahren ist Tibet das Ziel einer westlichen Pilgerschaft, die anfangs vor allem aus Missionaren bestand – die ersten, zum Teil phantastischen Berichte stammen aus ihren Händen. Mit der Zeit gesellten sich Forscher, politische Beamte, Spione, Reiseschriftsteller, Esoteriker und Abenteurer dazu. Einige versuchten, ein möglichst objektives Bild zu zeichnen, andere konstruierten ein Tibet, das auf persönlichen Sehnsüchten, Hoffnungen und Träumen beruhte – viele von ihnen reisten auch gar nicht wirklich hin, sondern „erfanden“ ein eigenes Tibet: Tibet als Ort des Friedens, der Harmonie, des langen Lebens, der Wahrheit und Weisheit, der Spiritualität. Als Metapher dafür steht „Shangri-La“, ein Ort, der seit dem in millionenfacher Auflage verkauften Roman „Lost Horizon“ des Engländers James Hilton (1933) bekannt ist. In Spielfilmen, Romanen und Comics weiterentwickelt, suggeriert „Shangri-La“ heute auch in Namen von Hotels, Freizeitorganisationen und Modeartikeln ein kleines irdisches Paradies. Neonazis behaupten heute, Hitler und Himmler hätten Interesse an Tibet und seinem Reichtum an Weisheiten gehabt. (Vgl. dazu: Sünner, Rüdiger: „Schwarze Sonne“ – Entfesselung und Mißbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik“, Herder Verlag, Freiburg, Basel, Wien 1999.)

Das Schäfer bereits 1933 der SS beigetreten war, gab er nach dem Zweiten Weltkrieg nur widerwillig zu. Schäfers Mitarbeiter im Sven Hedin Institut, Helmut Hoffmann erhielt nach 1945 eine Professur an der Universität München und setzte dort „die wissenschaftlichen Standards in der deutschen Tibetologie“.

**Bruno Beger (geb. 1917), gehörte zum persönlichen Stab des Reichsführers SS Heinrich Himmler und betrieb im Auftrag der „Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e.V.“  rassekundliche Forschungen.  Er hatte mit H.F.K.Günther an „Die nordische Rasse bei den Indogermanen Asiens“ zusammengearbeitet und teilte die Theorie Günthers von einer „nordischen Rasse“ in Zentralasien und Tibet. Er war Schäfers rechte Hand, der Schäfer auf der SS-Tibetexpdition begleitet und ethnologische Sammlungen für das Münchener Völkerkun-demuseum angelegt hatte. (Beger’s Dissertation: Die Bevölkerung der altmärkischen Wische. Eine rassenkundliche Untersuchung. 1941. 218 Bl. 4° Berlin, Mathem.-naturwiss. Fakultät, Diss. v. 24. Februar 1941. – Es sei noch der Bei-trag: „Das Rassenbild des Tibeters“, in: Asien-Berichte 21.1944 (Wien: Siebenberg-Verlag), erwähnt.) Noch 1943 reisten Bruno Beger und Dr. Hans Helmut Fleischhacker zum Konzentrationslager nach Auschwitz. Beger kam am 7. und Fleischhacker am 11. Juni 1943 dort an. Die beiden Anthropologen wählten zwei polnische und 86 jüdische Häftlinge aus, sowie vier „Innerasiaten“. An ihnen nahmen sie fast eine Woche anthropologische Messungen vor. Die jüdischen Opfer wurden zum KZ Natzweiler-Struthof im Elsass deportiert und im August 1943 in einer Gaskammer ermordet. Die Leichen wurden zum Anatomischen Institut der Reichsuniversität Straßburg gebracht und im dortigen Keller konserviert. Der ursprüngliche Plan, daraus eine Sammlung von Skeletten anzufertigen und sie als Belege einer angeblichen jüdischen Rasse auszustellen, hat Hirt nicht mehr verwirklicht. Bruno Beger wurde 1970 vor dem Landgericht Frankfurt am Main wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Das Gericht verurteilte ihn wegen Beihilfe zu 86fachem Mord zur Mindeststrafe von drei Jahren. Unter Anrechnung der Internierung nach dem Krieg und der Untersuchungshaft wurde ihm dabei der Strafrest wegen guter Lebensführung erlassen. Er startete schon 1952 seine nächste Tibetreise und trat noch 1994 als „offizieller Gast“ des Dalai Lama in London auf. (Vgl. dazu auch: Hans-Joachim LANG: Die Namen der Nummern. Wie es gelang, die 86 Opfer eines NS-Verbrechens zu identifizieren. Hamburg: Hoffmann und Campe 2004.

Beger „erinnert“ sich:

Im September 1994 war Beger zusammen mit Heinrich Harrer sowie anderen Persönlichkeiten aus dem Westen, die Tibet in den 1930er und 1940er Jahren bereisten, in London vom Dalei Lama zu einem Essen eingeladen, „to exchange our experiences and reminiscences of that time“ (um unsere Erfahrungen auszutauschen und Erinnerungen an jene Zeit), wie auf der Seite The Status of Tibet auf der Website des Government of Tibet in Exile nachzulesen ist.

Dr. Bruno Beger’s memoirs of Tibet
The Status of Independence of Tibet in 1938/39 according to the travel reports (memoirs) by Dr. Bruno Beger
After having travelled twice for research purposes via China to Eastern Tibet with the Brook-Dolan Expedition in 1931/32 and from 1934 to 1936, Dr. Ernst Shaefer planned a German expedition to Tibet of his own in 1937. He was particularly interested in a highly integrated expedition, covering such aspects as the soil, the plants, the animal and the human beings. For this purpose he was in search of suitable expedition members.
Having studied anthropology, geography and ethnography in Jena and Heidelberg, I went to Berlin for the completion of my studies. There I got in contact with Dr. Schaefer at the beginning of the autumn semester in 1937. So did the geo-physician, Dr. Karl Lienert, the photographer and entomologist, Ernst Krause, as well as one technical expert, Edmund Geer. We had already known Schaefer from newspaper reports and his own publications. Tibet and its culture, which I had read about quite a lot, seemed to me a most desirable field of research. That was why I enthusiastically agreed to join the expedition.
Schaefer described to us Tibet as a completely sovereign state that was anxious to preserve its independence and to protect its old culture from foreign influences and ambitious cravings. Tibet was regarded as the „Forbidden Land“. It would certainly be difficult to enter it by crossing one of its neighbouring countries, but experience had shown him that it would be possible to achieve this goal. The Schaefer Tibet Expedition of 1938/39 finally chose the route via India and Sikkim, despite all the warnings and difficulties from the British side. A non-permitted frontier crossing in October 1938, leading in from North Sikkim to the King of Tharing, who at the time resided at Doptra-Dzong, brought about our first contact with the Tibetan Government. After causing some trouble, British India had given its permission to the expedition to address a request for entry to the Government in Lhasa. They were very keen on keeping up their limited influence in South Tibet, for they feared the ambitions of China and the Soviet Union. Our expedition considered this an unfounded suspicion. But when we had received the invitation from the independent state of Tibet, we were authorised to travel to Lhasa.
The Schaefer-Expedition explored Southern Tibet from October 1938 to July 1939, thanks to an attestation from the Tibetan Government which proved to be very useful and important: The arrival of our expedition had been announced beforehand in advance, and for this reason we were welcome and well-received everywhere and provided with the necessary things on our way through the Chumbi Valley, then from Gyantse to Lhasa and from there via Samye across the Yarlung Valley to Shigatse and back again to Gangtok via Gyantse. In Lhasa itself we were received in a very friendly way and got into close contact with government officials and other influential people of the country. From numerous talks, the members of the expedition could gather, again and again, how eager the Tibetans were to keep up their rightful state of independence which had been reinforced again by the Treaty of 1912. The minimum foreign influence granted by contact to British India was tolerated reluctantly as a certain counter-measure to keep a check on the ambitious desires and unjustified interests of the Chinese (and to a certain extent of the Russians as well). Nevertheless, the Tibetans could not forgive and forget the provocative attack, as well as the bloodshed, caused by the British-Indian Expedition Corps in 1904. They often talked about that.
The political development in China was a cause for worry and the Chinese representatives in Lhasa were observed with mixed feelings. For a better protection of the country and to maintain their sovereignty, the Government set up a modern army of 10,000 men, whose training could be admired by us in Shigatse. Everything was obviously done with diplomatic skill to preserve their independence. Even our having been invited was probably due to the Tibetans‘ aim to establish a first contact with the rising „German Reich“, which might contribute to the support of their status of independence.
I had among the many contacts in Lhasa a special friendship with the family of H.H. the 14th Dalai Lama, with the Phala family and with the monastery official Moendroe, who was in charge of the city’s Police Department. From them I heard about all the worries in the country, even of their economic problems. For instance, every year, when the long caravans were on their way to India transporting wool, their main export article, Indian buyers would manipulate the Tibetan currency to the disadvantage of the Tibetans.
I experienced in Tibet the great pleasure of getting to know very closely the last old culture on this earth and I felt the great wish that it might remain untouched even while having to assimilate external influences, especially in the field of technology. I found the leading personalities sensitive to reforms and modernization, which would have taken place in a harmonious way, instead of being forced upon with cruel bloodshed as it was done by the Red Chinese. I still have the great hope that the freedom movement all over the world will also change the attitude of the Chinese towards the Tibetans and that Tibet will again experience the status of independence.

Ernst Schäfer. „Nach Krieg und dreijähriger Gefangenschaft folgte Südamerika, wo ich mit meiner ganzen Familie fünf volle Jahre in den an Naturschätzen unübertrefflich reichen Urwäldern und Savannen Venezuelas tätig war. Ich begründete die Biologische Station von Rancho Grande, schuf ein Urwaldmuseum und bekleidete eine Professur an der Universidad Central.“

1949–1954 war Schäfer Professor an der Universidad Central de Venezuela, Caracas und Leiter der Forschungsstation Estación Biologica de Rancho Grande.

Der spektakuläre Parque Nacional Henri Pittier auf der Cordillera de la Costa, 1937 eingerichtet, ist der älteste Nationalpark Venezuelas. Sein ursprünglicher Name Rancho Grande wurde im Jahr 1953 zu Ehren des Schweizer Naturforschers Henri Pittier geändert. Dieser hatte sich um den Schutz des Nebelwaldes verdient gemacht und hier die Pflanzenwelt studiert. 500 Vogelarten wohnen hier; das bedeutet 40 Prozent der Arten Venezuelas und fast sieben Prozent aller Arten weltweit. Sobald die Sonne hoch genug am Himmel steht, kann man auf der Terrasse der Forschungsstation den Himmel nach dem majestätischen Pracht- und Tyrannenadler, Schnee- und Schwarzbussard, Blutohrsittich, Glanztrogon, Rostflügel-Borstentyrann und Schwalbentangare absuchen. Der Park bedeckt eine Fläche von 107,800ha und erstreckt sich südlich der Karibikküste in die Berge bis fast nach Maracay. Seine dramatische Topografie ist charakterisiert von steilen Hängen, die mit Laubwäldern und tropischen Wäldern bedeckt sind.

Sein Aufenthalt in Rancho Grande war die Grundlage für seine Bücher „Die Vogelwelt Venezuelas und ihre Ökologischen Bedingungen“ (4 Bände), die seine Frau Ursula Schäfer, noch nach seinem Tot im Wirtemberg Verlag veröffentlichte.

Ernst Schäfer: „In Rancho Grande erhielten wir eines Tages unerwartet den Besuch des ehemaligen belgischen Königspaares. Ihm folgte der Ruf als wissenschaftlicher Berater nach Belgien zu kommen. Auch das wurde zu einer märchenhaften Zeit. Da sich die dramatischen Ereignisse, die die Welt heute in Spannung halten, im innersten Afrikas schon abzuzeichnen begannen, durfte ich dem König den Vorschlag unterbreiten, einen Dokumentarfilm über Pflanzen, Tiere und Menschen des Kongo zu schaffen. Dieses Werk, das ich in dreijähriger harter Arbeit mit Hilfe belgischer und französischer, schweizerischer und englischer, deutscher und amerikanischer Mitarbeiter -allen voran Heinz Sielmann – verwirklichen konnte, führte mich in das Herz des afrikanischen Kontinents.“

Unter der Schirmherrschaft des belgischen Königs Leopold III. drehte Sielmann 1958 in Belgisch Kongo einen der ersten Filme über Berggorillas: Les Seigneurs de la forêt (Herrscher des Urwaldes): Wissenschaftlicher Berater: Ernst Schäfer, der den Besuchern der Weltausstellung, die 1958 in Brüssel stattfand, die Schönheit des Kongos, aber auch die Bedrohung der Natur durch die zunehmende Erschließung der Wildnis, verdeutlichen sollte. Der Film wurde ein Welterfolg: 20th Century Fox übernahm den Vertrieb. In 22 Sprachen übersetzt, wurde er in der ganzen Welt gezeigt. Der Dokumentarfilm zeigt das Sozialverhalten der Gorillas und wird zum Welterfolg. Schon in frühen Jahren kreuzten Männer wie Prof. Dr. Erwin Stresemann und Dr. Horst Sievert seinen Weg. Stresemann gilt als der „Vater der modernen Ontholgie“; Sievert leitete die „Forschungsstätte Deutsches Wild“ und arbeitete als Pionierfilmer im Bereich „Neue Erkenntnisse der Verhaltensforschung“. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde er für ornithologische Forschungen vom Kriegsdienst befreit. Er arbeitete u.a. auf der von der deutschen Wehrmacht besetzten Insel Kreta.

Von 1955 – 1960 war Ernst Schäfer jagdlich-wissenschaftlicher Berater von Leopold III.

Leopold III. (* 3. November 1901 in Brüssel; † 25. September 1983 in Sint-Lambrechts-Woluwe; eigentlich Leopold Philippe Charles Albert Meinrad Hubertus Marie Miguel) regierte als König der Belgier von 1934 bis 1951, als er zugunsten seines Sohnes, des Thronfolgers Baudouin abdanken musste. Er stammte aus dem deutschen Adelsgeschlecht Haus Sachsen-Coburg und Gotha. Nach seiner Abdankung wurde ihm der Titel Prinz Leopold von Belgien, Herzog von Brabant verliehen. Er zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück und widmet sich seinen Forschungen, der Fotografie sowie Entdeckungsreisen. Am 11. September 1941 heiratete Leopold ein zweites Mal, Mary Lilian Baels (* 28. November 1916 in Highbury, London; † 7. Juni 2002). Ihr wurde von Leopold vor der Ehe der Titel einer Prinzessin von Rethy verliehen.

Von 1960–1970 war er Oberkustos am Niedersächsischen Landesmuseum in Hannover. Im Jahre 1963 plante Schäfer eine neue Forschungsreise nach Asien, die ihn diesmal nach Indien führen sollte. Ein Ziel dieser Reise war die Verwirklichung eines gemeinsamen Ausstellungsprojektes der Naturkunde- und der Völkerkunde-Abteilung des Museums. Schäfer wollte das „erforderliche zoologische, botanische und ethnographische Material für die Ausgestaltung der in absehbarer Zeit frei werdenden Räume im oberen Stockwerk“ des Museums beschaffen. 2000 DM für den Erwerb der ethnographischen Objekte wurden der Völkerkunde-Abteilung von den Freunden der Naturkunde-Abteilung vorgestreckt. Die dreieinhalbmonatige Reise, die Schäfer Ende November 1963 antrat, führte quer durch den indischen Subkontinent über Madras, Kerala und Mysore in das nordindische Dharamsala, wo – nach dem von der chinesischen Armee im Jahre 1959 brutal unterdrückten tibetischen Volksaufstand – der Dalai-Lama und ein Teil der über 80000 Flüchtlinge ein Exil gefunden hatten. Schäfer nahm seine Kontakte von 1939 wieder auf und erhielt eine Gesprächseinladung vom Dalai-Lama, mit dem er u. a. ein Hilfsprogramm des Hannoverschen Lions-Clubs verabredete. In den tibetischen Flüchtlingslagern erwarb er auch die Ethnographica für die Völkerkunde-Abteilung. Die von Schäfer 1963/1964 gesammelten Ethnographica wurden zweimal der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Januar 1965 eröffnete die Sonderausstellung „Neuerwerbungen aus Tibet“, die bis Ende April des Jahres gezeigt wurde. Im gleichen Jahr fand auch im Heimatmuseum in Nienburg eine Ausstellung mit den Objekten statt.  Ernst Schäfer hielt zahlreiche Vorträge und zeigte seinen im Jahre 1939 gedrehten Film „Geheimnis Tibet“. Nach 1965 verschwanden die Objekte allerdings wieder im Magazin der Völkerkunde-Abteilung.

Seinen Lebensabend verbrachte Ernst Schäfer mit seiner Frau in Bad Bevensen, wo er auch 1992 verstarb.

Schäfers Tibet-Film
Geheimnis Tibet. Ein Filmdokument der Deutschen Tibet-Expedition Ernst Schäfer 1938/39
Lhasa-Lo – Die verbotene Stadt
L (Land) Deutschland,
J (Jahr) 1938/42,
Dokumentarfilm,
P (Produktionsfirma) Ufa,
Länge: 106 Minuten, FSK: ab 12; f, Erstaufführung: 18.1.1943 + 5.9.1950 Neustart
Pd (Produzent) Ernst Schäfer,
R (Regie) Hans-Albert Lettow, Ernst Schäfer,
B (Drehbuch) Hans-Albert Lettow, Ernst Schäfer,
K (Kamera) Ernst Krause,
M (Musik) Alois Melichar,

Literatur zu Schäfers Expeditionen

1. Expedition
Ernst SCHÄFER: Berge, Buddhas und Bären. Forschungen und Jagd im geheim-nisvollen Tibet. Mit 32 Tafeln nach photographischen Aufnahmen des Verfas-sers und 2 Karten.
Berlin: Paul Parey 1933. X, 316 S.
Ernst SCHÄFER: Tibet ruft. Forschung und Jagd in den Hochgebirgen Osttibets. Tibetexpedition 1931/32. Mit 49 Abbildungen und 2 Karten.
Berlin: Paul Parey 1942. 290 S.
Das vorliegende Werk ist zugleich eine vollkommene Neugestaltung von Berge, Buddhas und Bären. Berlin: Paul Parey 1933.

2. Expedition
Unbekanntes Tibet. Durch die Wildnisse Osttibets zum Dach der Erde. Von Ernst SCHÄFER. Mit 64 Abbildungen nach photographischen Aufnahmen des Verfassers und 2 Karten. (11.–18. Taus.)
Berlin: Paul Parey 1937. VIII,295 S.
«Brooke Dolan rief die Expedition ins Leben, finanzierte sie und berief mich zur Teilnahme.»
Ernst SCHÄFER: Unbekanntes Tibet. Durch die Wildnis Osttibets zum Dach der Erde, Tibetexpedition 1934/36. Mit 64 Abbildungen und 2 Karten. (20.–28. Taus.)
Berlin: Paul Parey 1937. VIII,294 S.
Ernst SCHÄFER: Unter Räubern in Tibet. Abenteuer in einer vergessenen Welt zwischen Himmel und Erde.
(Durach:) Windpferd 1989. 215 S.

3. Expedition
Ernst SCHÄFER: Über den Himalaya ins Land der Götter. Auf Forscherfahrt von Indien nach Tibet.
Hamburg, Berlin: Deutsche Hausbücherei ©1950. 238 S.
Ernst SCHÄFER: Über den Himalaya ins Land der Götter. Tibetexpedition in den dreißiger Jahren von Indien nach Lhasa, in die «verbotene Stadt».
(Durach:) Windpferd 1989. 236 S.
Ernst SCHÄFER: Fest der weißen Schleier. Eine Forscherfahrt durch Tibet nach Lhasa, der heiligen Stadt des Gottkönigtums. (3. Aufl.)
Braunschweig: Vieweg 1952. 199 S.
Mit 31 Aufnahmen der Schäfer-Expedition 1938/39.
Geheimnis Tibet. Erster Bericht der Deutschen Tibet-Expedition Ernst Schäfer, 1938/39. Schirmherr Reichsführer SS.
München: Bruckmann 1943. 183 S.
Mit 56 Abbildungen, 32 Farbtafeln und 1 Übersichtskarte.

Beiträge über Ernst Schäfer
Über das Thema Tibetforschung im Nationalsozialismus ist bisher wenig gearbeitet worden. Den besten Überblick gibt Reinhard Greve: „Tibetforschung im SS Ahnenerbe“, in: Thomas HAUSCHILD (Hrsg.): Lebenslust und Fremden-furcht. Ethnologie im Dritten Reich. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1995,168–199.
Reinhard Greve: „Tibetforschung im Dritten Reich: Das Sven-Hedin-Institut des SS-Ahnenerbe.“
Deutsche Fassung eines Vortrags auf dem int. Seminar: „Anthropology of Tibet and the Himalaya“, Zürich 1990.
Abenteuer und Rassenwahn – Die Expeditionen der Nazis. Eine Dokumentation 2004 (ASIN: 3937163476)
Ernst Schäfer – Zoologe und Tibetforscher unter Himmler. Eine Dokumentation der ARD.

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