Nicholas Roerich und Shambhala

Seit undenklichen Zeiten gab es eine gewisse Region nördlich von Tibet, die bis auf den heutigen Tag unbekannt und unbetretbar ist für jeden, der nicht initiiert wurde, und wo die Adepten der Welt schon immer zusammenkamen . . .«, heißt es bei den tibetischen Weisen über Shambhala. Auf seiner dreijährigen Expedition durch Zentralasien hat der große russische Künstler Nicholas Roerich Legenden, Mythen und Fakten über Shambhala gesammelt. »Wenn Sie Asien verstehen und sich ihm als willkommener Gast nähern wollen, müssen Sie Ihrem Gastgeber mit dem heiligsten Wort begegnen – Shambhala«, schreibt Roerich. Nicholas Roerich (1874—1947), von seinen Zeitgenossen verehrt als »Botschafter des Friedens und der Schönheit«, ist einer der größten russischen Maler, Schriftsteller und Archäologen dieses Jahrhunderts. Im Zentrum seines Lebens stand eine dreijährige Expedition in das Innerste Asiens, auf der einige hundert seiner Gemälde entstanden, die heute in den Museen von New York, Leningrad, Moskau und Indien hängen. Er ist Initiator des »Roerich-Friedenbanners«, eines Vorläufers der Haager Konvention zur Schützung von Kulturgut, der 1934 von allen Staaten des amerikanischen Kontinentes sowie Indien und dem Baltikum unterzeichnet wurde.

Nikolai Roerich war ein Mitglied des Baukomitees des St. Petersburger Kalachakra-Tempels gewesen und hatte dessen farbige Glassfenster entworfen. Seine Frau, Helena, war die Übersetzerin von Blavatskys „Geheimlehre“ ins Russische. Zwischen 1925 und 1928 führte Roerich von Indien eine Expedition durch Tibet bis in die Äußere Mongolei und in das Gebiet der Altaiberge in Sibirien, nördlich von Ostturkestan. Ihr vorgeblicher Zweck waren das Mahlen und die Erforschung von Pflanzen, der Ethnologie und der Sprachen. Ihr Hauptziel war es allerdings, Shambhala zu finden. Die Hauptassoziation, die Roerich mit Shambhala verband, war die eines Ortes des Friedens. In „Shambhala: In Search of a New Era“ („Shambhala: Auf der Suche nach einer neuen Ära“) (1930) beschrieb Roerich Shambhala als eine heilige Stadt Nordindiens.

Roerichs Shambhala-Suche war möglicherweise teilweise von Grünwedels „Der Weg nach Shambhala“ inspiriert worden- Dieses Werk enthielt eine Übersetzung vom „Wegweiser nach Shambhala“ (tib. Sham-bha-la’i lam-yig), der in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts vom Dritten Panchen Lama (1738-1780) verfasst worden war. Der Panchen Lama erklärte allerdings, dass die physische Reise nach Shambhala einen nur in begrenztem Umfang voranbringt. Um dieses sagenumwobene Land zu erreichen, muss man eine enorme Anzahl spiritueller Praktiken vollziehen. In anderen Worten: die Reise nach Shambhala war tatsächlich eine innere Suche. Diese Erklärung scheint allerdings wagemutige Abenteurer wie die Roerichs nicht vom Versuch abgehalten zu haben, Shambhala nur durch einen Fußmarsch erreichen zu wollen.

1929 kreierten die Roerichs den Agni Yoga, indem sie die theosophischen Lehren als Grundlage nahmen. Möglicherweise folgten sie auch Blavatskys Übersetzungsmodel, nach dem die buddhistische Terminologie in geläufigeren Bildern und Begriffen aus Hinduismus und Okkultismus wiedergegeben wurden. Die Roerichs behaupteten schließlich, dass Shambhala die Quelle aller indischen Lehren sei. Sie nannten seine Herrscher auch „die Herren des Feuers, die die Herren der Finsternis bekämpfen werden.“ Roerich prägte sogar den Begriff der „Shambhala-Krieger“, der später, in den 1980er Jahren, von Chögyam Trungpa Rinpoche übernommen wurde. In „Shambhala: In Search of a New Era“ („Shambhala, auf der Suche nach einer Neuen Ära“) deutete Roerich auch auf eine Ähnlichkeit zwischen Shambhala und Thule, dem verborgenen Land am Nordpol, hin. Dies inspirierte, wie wir weiter unten sehen werden, die Deutschen bei ihrer Suche nach einem geheimen Land. Roerich erwähnte auch die Verbindung von Shambhala mit der unterirdischen Stadt Agharti (Agarthi), die durch unterirdische Gänge durch den Himalaya erreicht würde. Seine Bewohner sollten zur „Zeit der Reinigung“ auftauchen. In ihren „Collected Letters“ („Gesammelte Briefe“) (1935 – 1936) wies Helena Roerich darauf hin, dass Saint-Yves d’Alveidre Shambhala fälschlicherweise mit Agharti.

(Quelle nach: Berzin Archives )

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