Deutsche Einheit: Ein Land, zwei Lebensläufe

Auch 20 Jahre nach der Wende erkennt man allein am Lebenslauf noch immer, ob ein Deutscher im Osten oder Westen lebt. Das verdeutlichen Forscher vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) http://www.demogr.mpg.de in einer Broschüre. Ihre Analyse einer regelmäßigen, von der deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Umfrage unter 12.000 Deutschen zur Familie zeigt Unterschiede zwischen Ost und West besonders in den Punkten Geburten, Kinderzahl, Partnerschaft und Arbeitsteilung. Doch auch Gemeinsamkeiten gibt es – und bundesweite Trends, die teils der Osten vorgibt.

Nichtehelich im Osten die Regel

„Der deutlichste Unterschied besteht beim Anteil der nichtehelichen Geburten“, berichtet Michaela Kreyenfeld, die Koordinatorin des Forschungsprojekts, gegenüber pressetext. In den neuen Ländern sind 61 Prozent aller Geburten nichtehelich, was die weltweite Spitzenposition gemeinsam mit Island und Schweden bedeutet. „Die östlichen Bundesländer entsprechen in dieser Hinsicht den anderen westeuropäischen Ländern, wo der Anteil jedoch auch ständig steigt. Die Quote der Nicht-ehelichen Kinder beträgt im Westen ein Viertel, mit einer Verdoppelung seit der Wende.“

Dahinter lassen sich verschiedene Zugänge zur Ehe erkennen. Im Westen führt ein Baby weitaus mehr Paare zum Traualtar und für zwölf Prozent (im Osten drei Prozent) ist der Trauschein hier auch noch Voraussetzung für die erste gemeinsame Wohnung. Stabiler sind die Beziehungen deshalb nicht – im Westen als auch im Osten sind acht Prozent der Ehen nach fünf Jahren wieder geschieden und überall sind rund zwei Drittel mit ihrer Beziehung zufrieden. „Die Unterschiede in der Religionszugehörigkeit beeinflusst das Heiratsverhalten, erklärt jedoch nicht alle Unterschiede“, sagt die Expertin. Denn auch der konfessionell weit eher gebundene Westen sei mittlerweile hoch säkularisiert.

Trends: Kinderlos versus Einkindfamilie

Der Zeitpunkt der Familiengründung hat sich in Ost und West auffällig angeglichen. „Der Trend zu späterer erster Mutterschaft setzte im Osten schon neun Monate nach dem Mauerfall ein. Lag der Zeitpunkt bei Frauen zuvor im Alter von 22 Jahren, so liegt er heute mit 27,5 Jahren fast gleich auf mit dem Westen mit 28,7 Jahren“, so Kreyenfeld.

Deutet ein Trend in Westdeutschland auf Kinderlosigkeit (20 Prozent der Frauen zwischen 44 und 48 Jahren, im Osten nur zwölf Prozent), so ist im Osten die Einkind-Familie im Aufwind. „Ein Kind ist im Osten immer eingeplant. Ostdeutsche wollen doppelt so häufig nur ein Kind wie Westdeutsche“, berichtet die Forscherin. In den neuen Ländern steigt der Einkindfamilien-Anteil und beträgt derzeit 31 Prozent der Frauen zwischen 44 und 48 Jahren, in den alten hält er bei 22 Prozent und sinkt.

Osten: Frauen sind emanzipierter

Die größten Probleme sieht die Forschergruppe in den Unterschieden in Sachen Arbeitsteilung. Selbst 20 Jahre nach der Einigung gibt es noch kein Indiz für eine Angleichung. In diesem Punkt ist der Osten progressiver, da Männer und Frauen zu gleichen Teilen die Kinderbetreuung übernehmen, was im Westen nur bei einem Drittel der Paare der Fall ist. Während kinderlose Eltern in beiden Landesteilen zu 60 Prozent beide einen Vollzeitjob besitzen, ist es im Osten noch zu 28 Prozent der Fall, im Westen bei sieben Prozent. „Hier bleibt in der Regel die Mutter daheim“, so das Resümee der Forscher.

Die Forschung sei gut beraten, demografische Unterschiede zwischen Ost und West weiterhin zu berücksichtigen, wo dies angebracht ist. „Wichtige Dinge verschwinden und das Erkennen der Details ist nicht mehr möglich, sobald man alles in einen Topf wirft“, ist Kreyenfeld überzeugt. (pte)


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