Tibet: Speisen auf dem Dach der Welt

Die tibetische Küche ist für die meisten Menschen noch unbekannt. Bis vor 60 Jahren fast völlig von der Welt abgeschlossen, ist die kulturelle Vielfalt Tibets erst nach der dramatischen Flucht des Dalai Lama und etwa 100 000 Menschen aus allen Teilen Tibets im Jahre 1959 bekannt geworden und mit Ihnen der Speisenzettel der tibetischen Familien. Ein Volk im Exil ändert sich – an seinen Essgewohnheiten hält es aber als Teil seiner kulturellen Identität umso mehr fest. Tausende Tibeter sind so nach der Flucht in die Flüchtlingslager Südindiens (Drahmsala) in der Hitze aufgrund ihrer beibehaltenen Hochlandernährung umgekommen. Die Appelle des Dalai Lama zur Umstellung ihrer Ernährungsweise blieben oft ungehört. Wenn man schon nicht mehr in der Heimat leben kann, soll es in der Fremde wenigstens noch so schmecken wie zuhause! Tibeter sind keine Vegetarier – sie würden in der Höhe ohne Fleisch- und Fettnahrung erfrieren – und nicht alle Tibeter sind Mönche.

Diese Vorbemerkung scheint notwendig, weil dieses falsche Bild der Tibeter immer wieder auftaucht. Nonnen und Mönche gehören zum Straßenbild Tibets, sie leben in klösterlichen Gemeinschaften, die gemeinsam kochen und essen. Meist sind es die kleinen Kindermönche, die die Aufgabe haben, ihre Mitbrüder mit Buttertee aus riesigen Teekannen zu versorgen, ihnen Tsampa oder andere Speisen zureichen. Wie alle Schulrichtungen des Buddhismus beruht der tibetische unmittelbar auf den Lehren des Buddha Shakyamuni, der vor 2500 Jahren in Indien lebte. Eine Besonderheit im tibetischen Buddhismus ist die Institutionalisierung so genannter Tulkulinien. Bei einem Tulku handelst es sich um die Wiedergeburt eines verstorbenen Meisters.

Wie alle Dinge des Lebens in Tibet mit religiösen Ritualen verbunden sind, so auch das Essen. So ist der Herd in der Küche der Sitz der Herdgottheit und so achtet man darauf das während des Prozesses des Kochens nichts überläuft oder ins Feuer fällt, damit der Herdgott nicht erzürnt würde. Die Tibeter essen teilweise wie die Chinesen mit Stäbchen (tib. Khotze), wobei sich auch Löffel und Messer durchgesetzt haben. Jeder Tibeter ob reich oder arm besitzt eine Teeschale. Der Tee wird dabei wie folgt zubereitet: Ein Stück vom hartgepressten Teeblock wir sehr lange im Wasser gekocht. Der Sud, Tchothang genannt, wird mit Wasser verdünnt und ihm wird Soda hinzugegeben. Anschließend kommt Jakbutter hinzu, fertig ist der Buttertee, der lauwarm getrunken, den ganzen Tag über immer vorrätig ist. Die Tibetische Küche ist eigentlich ganz einfach. Es gibt nur wenige Vegetarier, die meisten Tibeter essen gerne und viel Fleisch. Gewürze die man in vielen Rezepten wieder findet, sind Ingwer, Kumin, Curry, Chili oder Koriander. Die Mischung dieser Gewürze macht den typischen Geschmack aus und im Gegensatz zur indischen Küche ist sie auch weniger scharf. Die tibetische Küche ist vielfältig gewürzt, sie hat sich in vielen Bereichen nach buddhistischen Überzeugungen entwickelt und unterscheidet sich je nach Region und sozialer Zugehörigkeit: Im Süden wird anders gegessen als im Norden, in Zentraltibet und Lhasa anders als im Westen und Osten. Lokale Erzeugnisse bestimmen die Küche, es gibt fast keinen Austausch von Anbauprodukten zwischen den Gebieten des Landes. Überall gibt es allerdings Tsampa, Buttertee und Momos.

img_4959Tibet ist das höchste Land der Erde und umfasst mit seien 1,22 Mio qkm ein Gebiet so groß wie ¼ von Europa und das Land ist von 2 Millionen Menschen bevölkert. Umgeben von seinen „mitessenden“ Nachbarn China, Indien, Nepal und Bhutan hat sich die Küche im Laufe der Jahrhunderte mit diesen Einflüssen zu einer eigenen Esskultur entwickelt. Seit 1965 gehört Tibet offiziell zu China, das Tibet 1950 gewaltsam besetzt hat, seit dem wird das Land als „Autonome Region Tibet“ bezeichnet. Durch die Siedlungspolitik der chinesischen Regierung machen die Han-Chinesen einen Großteil der Bevölkerung aus. Mit einer Durchschnittshöhe von 4.500 Meter ist Tibet das höchstgelegene Land der Erde, deshalb wird es häufig auch als das „Dach der Erde“ bezeichnet. Tibet besitzt eine reiche Flora und Fauna. Ackerland macht nur einen geringen Teil der Gesamtfläche des Landes aus.
Den überwiegenden Teil „bewirtschaften“ die Nomaden mit ihren Herden. So rechnet man mit 1 Mio. Nomaden und Halbnomaden mit 70.2 Mio. Tieren. Sie treiben Viehzucht mit Schafen, Ziegen und Yaks. Seit jeher sind sie neben den Ziegen und Schafen Grundlage der Ernährung der Tibeter. In unseren Breitengraden ist Yakfleisch kaum bekannt. Mit seinem hohen Protein- und niedrigem Fettgehalt stellt es eine Alternative zu Rindfleisch dar. Yaks (Bos mutus grunniens) gehören zu Tibet wir Nomaden, Berge, Mönche und Götter. Ohne den Yak ist ein Überleben auf den eisigkalten Hochebenen gar nicht denkbar. Sie dienen dem Menschen in Tibet als Reit- und als Packtiere, sie ziehen den Pflug und sind so die wichtigsten Helfer bei der Feldarbeit. Mit ihrem breiten Körper, den bis zu einem Meter langen, gebogenen Hörnern und der zottigen Mähne wirken die Tiere wie Zeugen aus längst vergangenen Zeiten. Yaks stammen aus dem zentral-asiatischen Hochgebirge. In ihrem Ursprungsgebiet bevölkern sie Hochebenen zwischen 4.000 und 6.000 Meter Meereshöhe. Die Milch der Kühe, die nicht Yak sondern Dri heißen (Yak ist der Name allein für das männliche Tier), gibt die Butter für den Buttertee. Das Yakfleisch wird in kalten, feuchtigkeitsarmen Luft getrocknet und ergibt so einen wichtigen Vorrat für die strengen Winter. Aus dem langen Haar der Yaks werden feste Seile gefertigt und winddichte Stoffe für die Nomadenzelte gesponnen. Aus dem Fell schließlich schneidert sich der Tibeter Mäntel und Stiefel und aus der Haut baut er leichte und wendige Yaklederboote zum überqueren der großen Flüsse. Gute Schnapsflaschen lassen sich aus den Hörner schnitzen, und die langen Schwänze werden schließlich zu Staubwedeln und Schmuckquasten verarbeitet. Zu den wichtigsten Yakprodukten gehört auch der Mist, der im Sommer getrocknet das Heiz- und Brennmaterial für den Winter ergibt. Yakfleisch weist einen etwas geringeren Energiegehalt als Rindfleisch auf. Auf Grund des niedrigeren Fettgehaltes ergeben sich relativ hohe Proteinanteile. Das Fleisch der Kühe enthält etwas mehr Fett als das der Bullen.

Als zusätzliche Proteinquelle nutzen die Nomaden auch das Blut der Yaks. Wenn kein Fleisch als Proteinlieferant zur Verfügung steht, wird den Tieren etwas Blut (ca. 1/2 Liter) abgenommen, mit Salz und Wasser vermischt und zum Gerinnen stehen gelassen, Danach kann es gebraten, gekocht oder mit Getreide vermischt werden. Yakfleisch zwar als weniger zart als die beiden andern Stücke, aber es schmeckte auffallend aromatischer und kräftiger.img_5000 Getrocknet eignet sich Yakfleisch als idealer Wanderproviant, weil es reich an Mineralien ist und stärkt. Rohes Yakfleisch leuchtet beinahe, es ist dunkler als normales Rinderfleisch und erinnert an Pferdefleisch oder einen wuchtigen Bordeaux. Die Yak-Steaks brät man am besten scharf an und lässt sie bei schwächerer Temperatur weiterbrutzeln, bis sie den gewünschten Garpunkt erreicht haben. Etwas ruhen lassen und erst auf dem Teller mit etwas Fleur de sel bestreuen. Yakfleisch braucht kaum Würze. Wie jedes Rind besteht auch der Yak nicht bloss aus Filet und Entrecôte. Die andern Stücke eignen sich als Braten, Ragout oder Hack. Das Yakfleisch zeichnet sich durch einen hohen Protein- (20-25 %) und Vitamingehalt aus. Infolge seiner Zusammensetzung behält getrocknetes Yak-Fleisch über Jahre seinen Nährwert. Yak-Fleisch hat bereits als eiserne Ration der mongolischen Reiterheere und in der russischen Truppenversorgung im 2. Weltkrieg eine wichtige Rolle gespielt.

Die tibetische Küche ist für viele Europäer zunächst einmal gewöhnungsbedürftig. Vielerorts wird schmackhaftes chinesisches Essen aufgetischt, das von Tibetern geschätzt wird und daher schon in alter Zeit Eingang in die höhere tibetische Küche gefunden hat. Grundnahrungsmittel für die bäuerliche und nomadische Bevölkerung des Hochlandes sind aber Tsampa und Buttertee. Der Buttertee (bö-cha), Teeblätter, Butter (Yak-Butter) und eine kräftige Prise Soda. Schmeckt mehr wie eine Kraftbrühe oder Bouillon. In den großen Höhen benötigt der Körper Fette und Salz, um die Flüssigkeit im Körper zu binden. Zusammen mit den großen täglichen Fleischportionen erzeugen sie die für das Überleben nötige Körpertemperatur und innere Hitze. Bis zu 40 Tassen werden bisweilen täglich getrunken. Vegetarier hätten es schwer, in dieser Kälte zu überleben. Jeder Tibeter trägt gewöhnlich seine eigene Schale mit sich, in die zunächst ein großes Stück Butter gegeben und anschließend Tee darüber gegossen wird. Wenn sich die Butter langsam auflöst, trinkt er etwas von der Flüssigkeit ab und wirft eine Handvoll des gerösteten Gerstenmehls (Tsampa) hinein. Alles zusammen wird nun kunstvoll miteinander verknetet — was leichter scheint als es ist. Nach Bedarf kann noch mehr Butter oder Tee zugegeben werden. Als weitere Zutaten fungieren manchmal der in kleinste Stückchen zermahlener Hartkäse oder Zucker.

Tsampa – geröstetes Gerstenmehl, wird zusammen mit dem Buttertee in einer Schale zu kleinen Kugeln verknetet und mit den Fingern gegessen. Hochwertige Vollwertkost, die leider zunehmend von poliertem Reis ersetzt wird und folglich zu erheblicher Mangelernährung in der Bevölkerung führt. Der überaus sahnige und vorzüglich schmeckende Joghurt ist in den städtischen Siedlungen leider nicht immer erhältlich. Luftgetrockneten Käse bekommt man in Würfeln kettenartig auf Schnüre aufgebunden. Fleischgerichte gibt es in Tibet häufiger als eine ausgefeilte Beilagenküche oder – früher wegen der schwierigen Anbaubedingungen fast undenkbar — Gemüsegerichte. Getrocknete Yakfleischstreifen werden oft auf Reisen mitgenommen. Darüber hinaus essen die Tibeter viel gekochtes Schaffleisch. Wird festlich gespeist, würzen sie ihr Essen gerne etwas scharf, was dem Einfluss der indischen und der chinesischen Küche zuzuschreiben ist. Nicht unversucht sollte unter den Getränken das tibetische Gerstenbier, Chang bleiben, leider wird überall das moderne Lhasa-Bier angeboten.
In Tibet birgt letztlich doch ein Geheimnis in sich, denn, so betonen die Mönche immer wieder: „ Widmen Sie, während Sie essen, dem Geschmack, dem Duft und dem Gefühl der Speisen von ganzem Herzen Ihre Aufmerksamkeit und denken Sie eine Weile mit Dankbarkeit an die Mühe und Arbeit der vielen Menschen, die daran beteiligt waren, uns mit dieser Nahrung zu versorgen.“ Denn gerade das tägliche Brot ist auf dem Dach der Welt keine Selbstverständlichkeit.

Anbieter von Yak-Fleisch in Deutschland:
Yak-Zucht
Heinz Kaiser
Weidmühlenweg 70 a
63679 Schotten
06659-1722

Momos Rezept:
Momos sind gefüllte Teigtaschen, wie sie auf dem Dach der Welt zubereitet werden. Sie sehen aus wie chinesische Ravioli, erinnern im Geschmack freilich auch an die indische Küche.
Teig: 500g Mehl, 1 TL Salz, 1 EL Öl, 170 ml lauwarmes Wasser.
Mehl und Salz vermischen, Wasser und Öl dazugeben, rühren und kneten, bis ein nicht zu fester Teig entsteht; zu einem Ball formen und 1 Stunde ruhen lassen.
Füllung: 500 g Yakfleisch (gehackt), 112 Zwiebeln (gehackt), 1 cm frischer Ingwer (gehackt), 5 Knoblauchzehen (gehackt), 12 TL Sechuanpfeffer, 2 Frühlingszwiebeln (gehackt), 12 EL Öl, 2 EL Sojasauce, 1–2 TL Kumin, Koriander (fein gehackt) und Salz nach Belieben.
Teig in kleine Stücke schneiden und so dünn wie möglich auswallen. Kreise von 8–10 cm Durchmesser ausstechen,1 EL Füllung in die Mitte geben. Den gesamten Rand des Kreises über der Füllung zusammennehmen und durch Drehung verschließen. Nicht in heißem Wasser kochen, sondern in einem Dampfaufsatz (z.B. aus Bambus) über kochendem Wasser 8–10 Minuten dämpfen (Achtung: Momos dürfen sich im Dampfeinsatz nicht berühren, sonst kleben sie aneinander). Zu den Momos kann man verschiedene Saucen reichen.

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